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Aminet 23 (1998)(GTI - Schatztruhe)[!][Feb 1998].iso
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1997-11-25
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5KB
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173 lines
Michael Mustermann Musterstadt, den 25. November 1997
Musterstraße 1
90210 Musterstadt
PK 00 00 00 R 0000 0
Tel. (01234) 987654
Kreiswehrersatzamt Beispielshausen
Beispielsstraße 1
68060 Beispielshausen
Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer
Sehr geehrte Damen und Herren,
Gemäß Art. 4 Abs. 3 des Grundgesetzes verweigere ich den
Kriegsdienst an der Waffe aus Gewissensgründen und möchte Ihnen
hiermit die dazu erforderlichen Dokumente zusenden.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Mustermann
Anlagen:
1 Darlegung der Beweggründe den Kriegsdienst zu verweigern
1 polizeiliches Führungszeugnis
1 tabellarischer Lebenslauf
- 1 -
Michael Mustermann, Musterstadt
PK 00 00 00 R 0000 0
Begründung der Gewissensentscheidung den Kriegsdienst zu verweigern
Schon in meiner Kindheit versuchten meine Eltern mir die Tragweite
meiner Handlungen bewußt zu machen. Sie ließen mir viele Freiheiten
in meiner persönlichen Meinungsbildung.
Ich kam somit früh zu der Einsicht und Überzeugung, daß man für
seine jeweilige Handlung auch die darauffolgenden Konsequenzen zu
tragen hat.
Die Tatsache, daß mein Großvater, väterlicherseits, im Krieg
gefallen ist, und der Vater meiner Mutter durch eine Granate schwer
verletzt wurde, veranlaßte mich schon früh, mich mit dem Thema Krieg
auseinanderzusetzen. Dadurch wurde mir bewußt, welches Leid ein
Krieg schaffen kann. Meine Großmutter war durch den frühen Tod ihres
Mannes mit dem Problem konfrontiert, zwei kleine Kinder alleine groß
ziehen zu müssen. Die Vorstellung, daß sich meine Mutter vor 50
Jahren in der gleichen Situation hätte befinden können, und ICH ohne
Vater hätte aufwachsen müssen, erschreckt mich.
Daher liegt für mich die Entscheidung, den Kriegsdienst zu
verweigern, nahe.
Das Problem der Konfliktlösungen durch kriegerische
Auseinandersetzungen zwischen Nationen bleibt auch heute noch
bestehen. Die Ereignisse im ehemaligen Jugoslawien "bestätigen"
diese erschreckende Tatsache. Dort kommt es zum Aufeinandertreffen
künstlich geschaffener Feindbilder. Künstlich deshalb, weil der
Einzelne kein Feindbild gegen eine andere "Nationalität" hat, die
ebenfalls durch diesen Krieg künstlich geschaffen wurde, sondern
erst die Masse ein Feindbild gegen diese "neue" Nationalität
entwickeln kann.
Durch die Reaktionen der Zivilbevölkerung im ehemaligen Jugoslawien
wurde mir bewußt, daß die Menschen merken, daß sie nicht gegen eine
unpersönliche, künstlich geschaffene Masse kämpfen, sondern gegen
Mensch wie Sie und ich, und daß sie sich größtenteils nichts
sehnlichster wünschen würden den Krieg niemals angefangen zu haben.
Meiner Ansicht nach steht hinter den feindlichen Soldaten ein
Mensch, der mit dem gleichen Problem konfrontiert ist, wie sein
Gegner.
Die Vorstellung, daß ich in solch einer Situation die Waffe auf
einen anderen Menschen zu richten hätte, kann ich nicht mit meinem
Gewissen vereinbaren.
Für zwei gegnerische Soldaten ist die einzige Legitimation den
Gegner zu töten, der Befehl einer Regierung. Der Soldat muß aufgrund
seines Gehorsams und seines Befehls in dem anderen Menschen einen
- 2 -
Michael Mustermann, Musterstadt
PK 00 00 00 R 0000 0
Feind sehen, den es zu töten gilt. Würde er in dieser Person einen
Menschen und keinen Feind sehen, der sich wahrscheinlich in der
gleichen Situation befindet wie er selbst, und es ablehnen, diesen
Menschen zu töten, wäre die Basis für einen Krieg nicht mehr
vorhanden.
Da Gewalt immer nur Gegengewalt hervorruft, halte ich Krieg als
Mittel zur Konfliktlösung grundsätzlich für nicht sinnvoll. Ein
Krieg lößt kein Problem, sondern verdrängt oder unterdrückt es nur
für eine bestimmte Zeit. Letztlich setzt sich der Stärkere durch und
nicht der , der im Recht ist. Ein Konflikt kann nicht militärisch
durch Gewalt, sondern nur diplomatisch durch Einsicht gelöst werden.
Auch durch die Schule wurde mein Verhältins zu Krieg und Gewalt
geprägt. Im Geschichtsunterricht legte mein Lehrer großen Wert auf
die Behandlung des ersten und zweiten Weltkrieges. Die Brutalität
und Anonymität im Krieg erkannte ich deutlich, als wir uns im
Deutschunterricht u.a. intensiv mit den Werken "Die Kegelbahn",
"Mein bleicher Bruder" und "Jesus macht nicht mehr mit" von Wolfgang
Borchert beschäftigten.
Ich hoffe, Sie respektieren meine Entscheidung, den Kriegsdienst zu
verweigern.
Musterstadt, den 25. November 1997
Michael Mustermann, Musterstadt
PK 00 00 00 R 0000 0
L e b e n s l a u f
Name M u s t e r m a n n, Michael
Geburtstag 00. ????? 197?
Beruf Schüler
Anschrift Musterstraße 1, 90210 Musterstadt
Religion römisch katholisch
Familienstand ledig
Eltern Max Mustermann, Bankkaufmann
Mechthild Mustermann, geb. Beispiel
Schulbesuch 4 Jahre Grundschule Musterstadt
9 Jahre Beispiels Gymnasium Musterstadt
Musterstadt, den 25. November 1997